Die Seherin: Ein erschütterndes Theaterstück über Gewalt und Krieg

Wiener Festwochen 2025: "Die Seherin" von Milo Rau beleuchtet Gewaltmedialisierung und Kriegsreportage mit Ursina Lardi.
Wiener Festwochen 2025: "Die Seherin" von Milo Rau beleuchtet Gewaltmedialisierung und Kriegsreportage mit Ursina Lardi. (Symbolbild/MW)

Wien, Österreich - Am 5. Juni 2025 feierte das Stück „Die Seherin“ von Milo Rau Premiere bei den Wiener Festwochen. Es handelt sich dabei um eine eindringliche Inszenierung, die den Umgang mit Gewalt in der Kunst thematisiert. Im Fokus steht die Hauptdarstellerin Ursina Lardi, die die Rolle einer Kriegsfotografin spielt, die in globale Krisengebiete reist, um dramatische Bilder zu finden. Wie nachtkritik.de berichtet, ist die Szenerie geprägt von kargen Wüstenlandschaften, durchzogen von Plastikmüll und Autoreifen, die die Verrohung der Gesellschaft widerspiegeln.

In der Vorstellung wird der irakische Azad Hassan präsentiert, dessen verstümmeltes Schicksal in einem Gewaltvideo im Internet kursierte. Er erzählt von der Invasion des „Islamischen Staates“ in Mossul und konfrontiert das Publikum mit der Realität von Gewaltvideos, die von Dschihadisten gefilmt und online veröffentlicht wurden. Die Kombination von Lardis schockierten Bildern und Hassans eindrücklichen Erinnerungen stellt die Zuschauer*innen vor die Frage, wie sie sich zu den Darstellungen von Gewalt in den Medien verhalten.

Ethik der Gewaltdarstellung

Das Stück ist nicht nur ein Spiegel der Gesellschaft, sondern animiert zur Selbstbefragung über die Faszination von Gewalt. Dabei wird die Ethik der Gewaltdarstellung auf der Bühne sowie die Rolle des Publikums in dieser Diskussion beleuchtet. Mehrere zentrale Fragen schlagen den Bogen zu einer tiefergehenden Reflexion: Warum ist Gewalt so verführerisch? Was bleibt nach Krieg und Terror? Und kann Kunst tatsächlich Leid lindern? Diese Themen sind nicht nur für das Theater relevant, sondern auch für die Gesellschaft als Ganzes, wie die Regie von Milo Rau eindrucksvoll zeigt.

Wie interessante Details unterstreichen, wird die Entwicklung der Kriegsfotografin von einer gefeierten Persönlichkeit hin zu einer verbitterten Kassandra deutlich. Ihre Suche nach Sujets des Grauens schlägt um, als sie selbst die verheerenden Auswirkungen von Gewalt am eigenen Leib verspürt. Die Inspiration des Stücks speist sich aus Lebensgeschichten von Kriegsfotograf:innen und irakischen Bürger:innen, wobei Raus eigene Erfahrungen, insbesondere seine Begegnungen mit Hassan, eine tragende Rolle spielen, so festwochen.at.

Besonders hervorzuheben ist der dramaturgische Höhepunkt: Nach der Vorstellung tritt Azad Hassan auf die Bühne und wird mit Jubel überschüttet. Ein eindrücklicher Moment, der die Kluft zwischen der medialen Rezeption von Gewalt und der Realität verdeutlicht. Das Stück dauert 1 Stunde und 30 Minuten ohne Pause und wird begleitet von einer eindrucksvollen Inszenierung, für die Anton Lukas die Bühne und Kostüme entworfen hat, während Elia Rediger für den Sound verantwortlich zeichnet.

Die Wiener Festwochen haben mit dieser Produktion ein wichtiges Thema aufgegriffen, das nicht nur in unseren Gefilden, sondern weltweit Relevanz hat. In einer Zeit, in der Gewaltberichterstattung und deren Konsum, sowohl in den Nachrichten als auch im Entertainment, omnipräsent sind, stellt „Die Seherin“ eine dringende Aufforderung dar, darüber nachzudenken, was wir sehen, wie wir es wahrnehmen und welche Ethik damit verbunden ist.

Zusätzlich zu diesen fesselnden Themen findet sich in der Kunstgeschichte auch eine Reflexion über den Umgang mit der Darstellung von Gewalt. Künstler wie Horst Strempel, der in den 1920er und 1930er Jahren aktiv war und sich politisch in der Linken engagierte, erlebten die Komplexität zwischen Kunst und Macht: Strempel fand keinen Zugang zur westlichen Avantgarde, nachdem er aufgrund seines sozialistischen Engagements in Westberlin unter Verdacht geraten war, wie die guernica-gesellschaft.de erläutert. Dies macht deutlich, dass der Diskurs über Gewalt in der Kunst schon seit geraumer Zeit von Bedeutung ist und weitergeführt werden muss.

Details
Ort Wien, Österreich
Quellen